Das Silberbergwerk von Schwaz

Liebe Leser,
da ich ja unlängst einen Post über Silber geschrieben hatte, wäre es doch nett, einmal ein echtes Silberbergwerk zu besichtigen. Auf dem Weg zum (alljährlichen) Wanderurlaub ins Ötztal liegt Schwaz in Tirol, wo im Mittelalter eine der damals größten Silberminen in Betrieb war! Also nichts wie hin!

Schon in der Bronzezeit (ab ca. 1250 v.Chr.) wurde in Schwaz Kupfer abgebaut. Oben am Falkenstein erkennt man mehrere schwarze Höhlen, das sind die prähistorischen Stollen. Zutage getreten sind sie durch einen riesigen Erdrutsch im Jahr 1999 (dort, wo die Bewaldung fehlt), aufgrund dessen beschlossen wurde, jegliche Bergbautätigkeit endgültig einzustellen.
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Anfang des 15.Jhds. fand man hier Silber, das viel Bergvolk auch aus Böhmen und Sachsen anlockte. Daraufhin erlebte das ursprünglich eher verschlafene Dorf einen großer Aufschwung. Schwaz wuchs in kurzer Zeit zur größten Bergbaumetropole Europas. Zur Hochblüte um 1500 hatte Schwaz über 20000 Einwohner und war damit nach Wien die zweitgrößte Ortschaft des Habsburger Reiches. Im 17. und 18. Jahrhundert betrug die jährliche Silberförderung nur noch ein Fünftel der vorhergehenden Epoche; die Mine war großteils ausgeschöpft und aus Mittelamerika wurden große Mengen Silber herbeigeschafft, die den Bergbau in Europa weniger rentabel machten. Die Schwazer Mine brachte aber den Fuggern (die sich hier eingekauft hatten) und den Habsburgern insgesamt beachtlichen Reichtum und Macht. Von 1420 bis 1827 wurden ca. 2300 Tonnen Silber und ca. 191000 Tonnen Kupfer gewonnen. Der Erzbergbau endete 1957. Im Anschluss wurde nur noch Dolomit (für den Straßenbau) abgebaut, bevor der große Erdrutsch 1999 auch das beendete.

Bevor es losgeht, werden die Besucher mit Helmen und Mänteln ausgestattet. Der Zugang zum ehemaligen Bergwerk führt heute durch einen engen, 800m langen Stollen, den "Sigmund-Erbstollen" (benannt nach "Sigismund dem Münzreichen"), nicht zu Fuß, sondern mit einer Grubenbahn. Er liegt auf Straßenniveau und entwässerte durch die ansteigende Sohle einen großen Teil der höheren Stollen, „erbte“ also ihre Wässer. Hier der Eingang.
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Platzangst darf man bei der Fahrt nicht haben, es geht relativ rasch durch den Tunnel, wobei die oft scharfkantigen Tunnelwände mit teils wenig Abstand an einem vorbeirasen. Hände ausstrecken wäre nicht ratsam.

Er war 1491 von Sigmund selbst angeschlagen worden und sein Bau dauerte angeblich 26 Jahre. Am Ende des Stollens befindet man sich ca. 400m unter dem Gipfel des Falkenstein. Von hier gingen zahlreiche Stollen weg (insg. hatte man auf 9 Ebenen gegraben). Die unteren Sohlen füllten sich ständig mit Wasser (Grundwasser vom Inn, aber auch Regen- und Schmelzwasser vom Berg), sodass hunderte Wasserheber in vier Schichten eingesetzt wurden, um das Wasser in Ledersäcke zu füllen und diese mit Kurbeln hochzuhieven. Als auch das nicht reichte (bzw. um Kosten zu sparen, denn die Wasserheber forderten mehrmals höhere Bezüge), baute man im 16. Jhd. drei riesige (ca. 9m Durchmesser) Wasserräder ein, mit denen man das Sickerwasser nach oben schöpfte. Angetrieben wurden diese "Rinnwerke" durch eigens eingeleitete Bäche! Die Förderleistung soll 300.000l pro Tag betragen haben.
Das Rad im Schaubergwerk ist aber eine Rekonstruktion. Die Originale sind nicht mehr erhalten.
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Die Tunnel sind meist mit Trockenmauern abgestützt.
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An einer Wand ist eine Statue der Heiligen Barbara zu sehen, mit Kelch und Schwert.
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Sie wurde im 3.Jhd. im byzantinischen Reich von ihrem eigenen Vater enthauptet, weil sie sich geweigert hatte, den christlichen Glauben aufzugeben. Die Schutzpatronin der Bergleute wurde schon im Mittelalter verehrt. Heute noch werden an ihrem Sterbetag, dem 4. Dezember, Obstzweige abgeschnitten und ins Wasser gestellt, sodass sie an Weihnachten blühen sollen, was Glück im kommenden Jahr verheisst!

So könnte die Knappenarbeit vor ca. 500 Jahren ausgesehen haben.
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Abgebaut wurde nicht reines Silber, sondern die im ca. 370 Mio. Jahre alten Dolomitgestein eingeschlossenen Adern an Fahlerz, das ca. 33% Kupfer und nur zu 0,5% Silber enthielt.

Fahlerz, links daneben ein "Pochschuh" (vermutlich aus Gußeisen). Die Grünverfärbung entsteht durch Oxidierung der Kupferanteile.
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Das Fahlerz wurde zuerst mechanisch von taubem Gestein getrennt (in Pochwerken), zu den ebenfalls in Schwaz angesiedelten Schmelzöfen gebracht und dort zusammen mit Blei geschmolzen, wodurch sich das Silber vom Kupfer trennte und sich an das Blei anlagerte. In einem zweiten Schritt wurde das Silber dann vom Blei getrennt und weiter gereinigt - ein insgesamt sehr aufwändiges und mühseliges Verfahren! Pro kg Silber wurden ca. 70kg Kupfer gewonnen und am freien Markt verkauft.

Das Silber wurde dann unter anderem zur Münzprägestätte nach Hall gebracht, wo z.B. ab 1486 Guldiner und später Silbertaler geprägt wurden, ab 1550 auch weltweit erstmals in der effizienteren Walzenprägung statt der davor benutzten Hammerprägung.

Apropos Hammerprägung! Im dem Schaubergwerk angeschlossenen Silbershop kann man sich seine eigene Silbermünze selbst prägen (gegen einen Obolus von 25€). Dazu wird ein Silberrohling in diese Apparatur eingelegt (dort wo im Bild das Stück Stoff ist) und dann muss man mit einem gefühlt 15kg schweren Hammer einmal oben auf den Prägestempel schlagen.
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Das hat bei mir mehr oder weniger gut funktioniert! Hier ist das Ergebnis, ganz zentriert wurde die Münze offenbar nicht eingelegt.
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Die Vorderseite der 6,25g Feinsilber(99,97%)-Münze hat das Sujet 500 Jahre Bauernkriege 1525-2025, die Rückseite zeigt das Konterfei von Sigismund des Münzreichen.

Nach der Besichtigung der mittelalterlichen Mine ging es kurz weiter in den "modernen" Bereich, der aber nur ansatzweise zu sehen war. Insbesondere am Ende dieses abgesperrten Stollens (insg. 2km bergeinwärts) befindet sich die sog. "Messerschmitthalle" - eine riesige Höhlung (120m lang, 40m breit, dutzende Meter hoch!), in der 1944 die Nazis von 300-400 Zwangsarbeitern Teile des weltweit ersten Düsenjägers Messerschmitt Me 262 fertigen liessen. Ein Vollbetrieb war aber nicht mehr möglich und die Arbeiten an der Fertigungshalle selbst sind wohl nicht mehr abgeschlossen worden. 1947 wurde die Halle von französischen Pionieren großteils zerstört und ist seither nicht mehr öffentlich zugänglich. Ein Video vom heutigen Zustand gibt es hier.
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Bergwerk:
Alte Landstraße 3a, 6130 Schwaz
Mai – September täglich von 08:45 bis 17:00 Uhr
Tickets: 23€ (Schüler/Studenten/Senioren 20€)

Quellen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Schwazer_Bergbau
https://www.silberbergwerk.at/geschichte
https://qr.schwaz.at/wege/knappensteig/das-rinnwerk/

Posts zum Thema:
Silber, das unterschätzte Metall



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13 comments
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Ganz nach meinem Geschmack, da wäre ich gern mitgefahren

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Solche Bergwerke sind immer richtig cool zu besichtigen. Auch wenn ich es immer etwas bedrückend finde, wenn man irgendwo unter der Erde ist. 😅

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A cart ride through a mine sounds like fun.. haha yeah keep your hands inside the cart at all times :-P

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Silber, das am meisten unterbewertete Edelnetall. Schöner Artikel

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Sehr spannend und schönen Urlaub.

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So much history in there! Many nazi's coins were also made of silver, that was also the origin of the coins as well?

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Silver coins existed long before there were Nazis :)

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For sure yes! But it is a famous set that I know lol

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"...der Münzreiche" - so einen Beinahme hätte ich auch gern. :)

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Ich frage mich, wie hoch wohl die Wahrscheinlichkeit war, nach dem Arbeitsleben im Stollen den anschließenden Ruhestand zu genießen? Auch der Prozess des Einschmelzens konnte wohl nicht das körperliche Wohlgefühl steigern?
Noch etwas interessiert mich. Da ich zufälligerweise jedes Jahr einen wunderbaren Bekannten aus Schwaz bei uns begrüßen kann und es mich jedes Mal einer Anlaufzeit von mindestens einer halben Stunde bedarf, bis meine Ohren und Hinterkopf sich auf diesen Dialekt eingestellt haben, musst du mir verraten, wie der Wiener diese sprachliche Hürde nimmt?
Ansonsten kannst du dir sicherlich vorstellen, dass der Saarländer mit dem Schacht und der Thomas- Birne engstens vertraut ist.

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Allein die Unmengen an Blei, die für die Erschließung des Silbers verwendet wurden, hat sicher für eine kurze Renteninanspruchnahme gesorgt. Auch das Stehen im Wasser stelle ich mir nicht gerade gesund vor. Angeblich hatten die ja auch einen Arbeitskräftemangel, sodaß den Bergleuten umfangreiche Privilegien zugesprochen wurde, zB. eine gratis "medizinische" Versorgung, eine eigene Gerichtsbarkeit oder ein Vorkaufsrecht bei Händlern, Bäckern, etc. Dementsprechend "beliebt" waren die Knappen beim Rest der Bevölkerung.
Die Leute, mit denen ich gesprochen habe, hatten einen recht moderaten Dialekt.

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