Erinnerungen leben länger 🇩🇪🍻🥨 Berlin Impressions

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Manche Orte verbindet man mit ganz besonderen Erinnerungen, welche oft ziemlich weit zurückreichen können. Bilder von diesen vergangenen Ereignissen hat man für immer in seinem Kopf, auch wenn diese mit der Zeit verschwimmen und ziemlich unklar werden können. Einer dieser Orte ist für mich die Oberbaumbrücke im Herzen Berlins, welche die beiden Stadtteile Friedrichshain und Kreuzberg miteinander verbindet. Zu Zeiten der Berlin Teilung war diese Brücke eher selten genutzt, aber seit dem Jahr 1989 ist dort wieder richtig Leben eingekehrt. Im Anblick der Maueröffnung wurde diese Brücke endlich wieder ihrer verbindenden Funktion zugeführt, und genau hier beginnen dann auch meine eigenen Erinnerungen mit diesem roten Backsteinbauwerk.

Aber wenn man sich in diesen Tagen der Oberbaumbrücke nähert und diese überqueren will, weichen diese warmen Erinnerungen an einen so freudigen Anlass in der europäischen Geschichte dann schnell der harten Realität. Manche Brücken verbinden nicht nur , sondern sind gleichzeitig ein Ort zum Verweilen. Hier auf der lauten Brücke, direkt neben dem geschwinden Straßenverkehr kommt dieses Gefühl nur bedingt auf.

Je nach Tageszeit mag es sich anders anfühlen, aber es kann hier durchaus ungemütlich werden, vor allem, wenn man sich ganz nah heran traut. Da empfiehlt es sich schon eher, diesen Prachtbau aus der Entfernung zu betrachten, mit ein wenig Abstand, was vielleicht hilft, die eigenen Erinnerungen auch weiterhin warm zu halten. Unsere Vergangenheit mit ihren Erinnerungen kann halt nur selten Schritt halten mit der Gegenwart und ihrer Realität, auch wenn wir uns das noch so sehr wünschen tun.

Deshalb also lieber etwas Abstand halten, was zusätzlich auch helfen kann, die eigenen Erinnerungen ein wenig besser zu sortieren und einzuordnen. Das wir sie bewahren wollen, steht außer Frage. Aber dafür braucht es manchmal sogt ein wenig Ignoranz. Schlechte Augen könnten auch recht hilfreich sein, helfen sie doch, das derzeitige Geschehen ein wenig auszublenden, mit dem man, je älter man wird, um so weniger zu tun haben will. Zumindest mir geht das im Augenblick so, was ich auch gerne ganz offen zugebe.

Dabei behaupte ich nicht, dass früher alles besser gewesen war. War es mit Sicherheit nicht, aber dank jugendlicher Ignoranz habe ich vieles von dem, was damals bereits im Argen lag, einfach übersehen und verdrängen können. Vielleicht hat es mich auch gar nicht gestört, geht jüngeres Alter doch oft mit mehr Toleranz und Akzeptanz einher. Über Sinn und Unsinn dessen brauchen wir uns hier an dieser Stelle nicht auszulassen, dass würde mal wieder den Rahmen sprengen.

Ich wünsche mir daher auch gar nicht, dass ich die Zeit zurückdrehen könnte. Lieber hätte ich, dass ich weiterhin die Welt um mich so akzeptieren und annehmen könnte, wie sie ist. Oder zumindest die Kraft hätte, sie mühelos zu ertragen. Aber das fällt mir zunehmend schwerer, und dass gilt für so einige Orte in der Berliner Innenstadt. Dort, wo ich mich am wohlsten gefühlt habe, behagt es mir nun meist gar nicht mehr. Der räumliche Abstand der letzten Jahre hat dazu wohl auch seinen Teil beigetragen, aber wir haben uns halt alle auch weiterentwickelt. Das muss man akzeptieren, lamentieren bringt uns hier nicht weiter. Obwohl es manchmal vielleicht doch angebracht ist, sich einen kurzen Moment der Reflexion zu gönnen. Eine persönliche Momentaufnahme sollte man sich schon zugestehen, und dabei ist man besser auch ehrlich zu sich selber.

Dann schafft man es meist auch, die anfangs erwähnten, nicht mehr ganz so frischen Erinnerungen zu bewahren und wieder ein wenig aufzuwärmen. Denn warme Erinnerungen sind gut für uns und vor allem für unser Herz. Wer diese ablehnt, tut sich selbst nichts Gutes. Und daher empfiehlt es sich eben manchmal doch, ab und an an Orte wie diesen hier zurückzukehren. Und sei es nur deswegen, dass man sich vergewissern will, dass es diesen Ort wirklich gibt und gegeben hat, und dass man selber auch hier gewesen ist.

Die Reise in die Vergangenheit kann manchmal etwas holprig oder dornig sein, aber wir sollten sie doch nicht scheuen.

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2 comments
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Ich habe zwar schon viele Brücken gesehen - real und virtuell, aber die "Oberbaumbrücke" kannte ich noch nicht, obwohl sie doch ziemlich prägnant ist. Danke!

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und sie verbindet Ost und West - nicht nur sprichwörtlich :)

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